
In dieser Serie befragt Chefredakteur Dirk Müller Persönlichkeiten aus der veganen Welt. Nicht die Tagesaktualität steht im Vordergrund – sondern inspirierende Lebensläufe
von Dirk Müller
FOTO: BEATE FÖRSTER
Hallo Lars, wir steigen ein wie immer. Welcher Tee ist dein Favorit?
Superstarker Ingwertee. Da muss der Löffel praktisch drin stehen bleiben.
Im Ernst?
Ja, ganz im Ernst! Ich bin zwar kein großer Teetrinker, aber wenn, dann richtig.
Braucht man ja vielleicht zum Wachbleiben, wenn man so multiprofessionell unterwegs ist wie du …
Ich habe halt ziemlich viele Dinge, die ich einfach gern mache, zum Beruf gemacht.
Fangen wir mal an: Du bist der Macher des VeggieWorld-Podcasts, eines der beliebtesten veganen im deutschsprachigen Raum, Fotograf, Videospiele- und Hörbuchsprecher, bezeichnest dich als veganen Gutmenschen …
Ja! Gutmensch!
Ist das nicht eher ein Schimpfwort?
Absolut nicht, und genau das verstehe ich nicht: „Gutmensch“ war 2015 sogar das „Unwort des Jahres“, schon 2011 landete es auf Platz 2. Warum werden Menschen beschimpft, die sich aktiv für das Gute einsetzen? Ist Apathie die neue Norm? Lasst uns alle Gutmenschen sein!
Da bin ich dabei! Apropos: Du warst ja auch mit deinem eigenen Kabarettprogramm „Gutmenschenalarm – Pflanzenfresser goes Kabarett“ auf Tour. Warum jetzt nicht mehr?
Alles hat seine Zeit, und ich habe festgestellt, dass es mir zwar leicht fällt, Menschen zum Lachen zu bringen – aber ich wollte lieber mehr Informationen verbreiten als „nur“ Witze.
Dafür ist dein Vortrag namens „Everyday Heroes“ sicher besser geeignet.
Ich denke schon. Den Vortrag halte ich jetzt seit etwa zweieinhalb Jahren auf den VeggieWorld-Messen. Dabei geht’s v.a. um unsere Ernährung, unser Konsumverhalten und wie alles zusammenhängt. Beispiel: Wir werfen in der EU Jahr für Jahr gut ein Drittel aller Lebensmittel einfach weg – 88 Millionen Tonnen. Allein das verursacht rund 8 Prozent der globalen Treibhausemissionen.
Und wie geht es mit den Vorträgen weiter? Planst Du einen zweiten Teil?
Ja, tatsächlich, und ich habe auch schon einen Arbeitstitel: „Final Countdown – warum kleine Schritte zur Weltrettung nicht mehr reichen!“ Es ist zwar gut gemeint, wenn die EU Plastikstrohhalme verbietet, stattdessen sollten wir aber lieber aufhören Fisch zu essen.
Was muss außerdem noch passieren?
Nur ein paar Stichworte: Vegane Ernährung ist die einzig zukunftsfähige, allein wenn man sich vor Augen hält, dass wir 45 Prozent der eisfreien Landmasse weltweit sowie ein Drittel des gesamten Trinkwassers nur für sogenannte Nutztiere verbrauchen. Oder: Muss ich wirklich fliegen? Muss ich alles bei Amazon bestellen? Muss ich alles wegwerfen, was das MHD erreicht hat? Ist meine Erwartung ok, fünf Minuten vor Ladenschluss noch Massen von Frischobst und -gemüse vorzufinden? Brauche ich wirklich ein neues Handy oder tut's auch ein gebrauchtes, generalüberholtes?
Wir müssen unser Anspruchsdenken ändern …
Genau, vieles muss nicht sein, oder nicht immer neu sein. Beispiel: Wie lange bohrt eine durchschnittliche deutsche Bohrmaschine vom Kauf bis zum Wegwerfen?
Keine Ahnung, vermutlich nur ein paar Stunden …
Zwölf Minuten.
Nicht zu fassen!
Sehr empfehlen kann ich in diesem Zusammenhang die „Zero Waste“-Bloggerin und YouTuberin Shia Su.
Aber läuft man bei solchen „Fünf vor Zwölf“-Szenarien nicht Gefahr, das Publikum zu überfordern?
Ein konstruktiver Ansatz mit vielen konkreten Tipps ist dabei natürlich ganz entscheidend, und ebenso die Art und Weise der Botschaft: Mir ist wichtig zu vermitteln, dass wir alle im selben Boot sitzen. Konfrontation ist sowieso sinnlos. Wenn jemand sagt: „Aber auf Käse könnte ich nie verzichten“, dann kann diese Person ja schon mal mit Fleisch, Eiern und Milch anfangen – und dann weiterdenken. Es geht darum, Schritt für Schritt zu gehen – und nicht stehen zu bleiben. Dazu möchte ich ermutigen.
Dies und vieles mehr wird ja auch in deinem Podcast thematisiert.
Klar! Und ich bin sehr froh, darüber so viele spannende Menschen kennenzulernen.
Wie bist du zum Podcasten gekommen und was ist dabei am wichtigsten?
Das war ein Facebook-Aufruf und meine Frau meinte, das passt doch perfekt. Sie hatte recht! Am wichtigsten dabei sind Neugier, Demut und Humor. Das Format zeichnet sich durch eine Mischung aus Interview und Infos aus.
Wie bist Du eigentlich selbst auf den veganen Weg gekommen?
Das war 2012: Ich hatte ungefähr drei Minuten des Films „Earthlings“ gesehen und war danach genau eine Woche Vegetarier, als mich ein Vortrag des Nachhaltigkeitsforschers Dr. Richard Oppenlander überzeugt hat: Das reicht nicht. Ich muss konsequenter werden.
Und von heute auf morgen warst du vegan?
Meine Frau und ich haben das damals gemeinsam beschlossen, und es gab anfangs schon noch den einen oder anderen Rückfall. Ab Anfang 2015 waren wir dann mit einem Imbisswagen unterwegs, mit einfachen, schmackhaften veganen Gerichten wie unserer beliebten „Syros-Tasche“ mit Soja-Gyros. Zwei Jahre ging das.
Bestimmt eine tolle Zeit, aber auch hart verdientes Geld, richtig?
Ja, sehr viel Arbeit. Ich habe seitdem noch größeren Respekt vor Menschen in der Gastronomie.
Und jetzt bist Du vor allem Podcaster und Fotograf?
Auch. Hauptamtlich bin ich ja Schauspieler und v.a.Synchronsprecher für Film, Fernsehen und Videospiele. Aber gerade die Fotografie ist eine Herzensangelegenheit.
Deine Fotoserie namens „Vegans“ mit der du Unterschiede und Parallelen vegan lebender Menschen porträtierst, ist künstlerisch sehr anspruchsvoll!
Danke! Diese Porträts sehe ich als visuelles Gegenstück zum Podcast. Der Trick ist, die Menschen sie selbst sein zu lassen. Das sag ich ihnen auch. „Du musst mir nie etwas verkaufen, du bist schön, wie du bist!“
Ein schönes Schlusswort!
Ja! Aber mit dem Zusatz: „... und du kannst die Welt verändern!“
ZUR PERSON:
Der 33-jährige Westfale ist ausgebildeter Schauspieler, Synchron- und Hörbuchsprecher. Er ist auch Fotograf, moderiert den erfolgreichen Podcast des Messeveranstalters VeggieWorld und hält
Vorträge zum Thema vegane Ernährung, Ökologie und Nachhaltigkeit. Er lebt mit seiner in der Zero Waste Bewegung sehr engagierten Frau Nicole in Düsseldorf. Mehr:
www.larswalther.com