
Unglaublich, was aus einem Bio-Kürbis alles werden kann. Marktführer Georg Thalhammer erzählt es uns – und noch einiges mehr aus seinem bewegten Leben
von Dirk Müller
FOTOS: PR GEORG THALHAMMER; DIRK MÜLLER; NÜRNBERGMESSE/FRANK BOXLER

Wenn sich Georg Thalhammers himmelblaue Augen zu einem verschmitzten Lächeln verengen, weiß man nicht immer gleich, welcher Schalk ihm gerade im Nacken sitzt. Aber dass es ein gutwilliger ist, dessen kann man sich sicher sein.Denn dem 58-jährigen Oberbayern, aufgewachsen im Chiemgau und heimisch geworden im Mainfränkischen, nimmt man nicht nur seine Naturverbundenheit ab, sondern auch eine Herzlichkeit, die ihn authentisch und sympathisch macht.
hohe auszeichnungen auf der bio-fach
Naturverbunden war Georg Thalhammer schon immer, und sein Lebensglück ist eng damit verknüpft (siehe auch Interview weiter unten). Jeden Morgen startet er mit einem ausgiebigen Spaziergang. Sein Unternehmen in dem kleinen Ort Steinfeld bei Lohr am Main heißt ganz einfach „Georg Thalhammer“, im Mittelpunkt steht die Entwicklung und der Verkauf von Kürbis- und Kräuterprodukten in Bio-Qualität. Und das mit wachsendem Erfolg: Allein in diesem und den beiden Vorjahren wurden auf der Bio-Fach in Nürnberg, der weltgrößten Messe für ökologische Konsumgüter, vier Neuprodukte aus dem Hause Thalhammer mit dem „Best New Product Award“ ausgezeichnet: Zunächst 2014 das Kürbis-Ketchup, das obendrein eine Goldmedaille im Wettbewerb um „Bayerns beste Bio-Produkte“ gewann. 2015 dann das Waldfrüchte-Pesto und der süße Aufstrich „Kürbsi“, 2016 das Kürbis-Chili-Ketchup. Bei der Produktion geriet versehentlich Sambal Olek in die Maschine, und plötzlich hatten wir Kürbisketchup mit dieser pikant-scharfen Note“, sagt Georg Thalhammer und lacht.
feinkostmarke „georg“ wird eigenständig
Im Grunde aber überlässt er nichts dem Zufall, und immer gilt: Weniger ist mehr. So kommt die neu-entwickelte und seit Anfang August im Handel befindliche „Grüne Kräuterlinie“ mit ganzen drei
Zutaten aus: Eine einzige Kräuterart wie Basilikum, Koriander oder Petersilie plus Olivenöl plus Salz – sonst nichts. Auch eine Fermentierung oder Erhitzung findet nicht statt: die Kräuter gehen
praktisch vom Feld ins Glas. „Das gab es so noch nicht“, sagt Georg Thalhammer und erklärt den Unterschied: „Nicht pateurisierte Kräuter wirken im Glas viel heller und frischer, das schmeckt man
auch – und je wilder die Kräuter, desto besser funktioniert es!“ Und weil überhaupt alles recht gut funktioniert zurzeit, wird die Palette bald um eine Barbeque- und eine Cocktail-Soße erweitert
werden. Der damit beauftragte Tüftler im Hintergrund ist Produktentwickler Jürgen Krosta: Er hat die Kürbisspezialitäten sowie gemeinsam mit Thalhammer die „Grüne Linie“ und alle Pestos
entwickelt, und für die Website samt Online-Shop ist er auch zuständig.
Alle Feinkostprodukte laufen unter der Marke „Georg“, die Schritt für Schritt ausgebaut und bald als eigene GmbH & Co. KG funktionieren wird – abgespalten vom Frische-Handelsgeschäft, mit dem
Thalhammer seit Jahren Handelspartner, auch große wie Edeka, vor allem mit Bio-Kürbissen und Bio-Gemüse beliefert.
der wunsch nach einer bio-gemeinschaft
Blick zurück: Georg Thalhammer verlebt eine wohlbehütete Kindheit in der bäuerlichen Großfamilie. Als Gymnasiast verkauft er seinen Lehrern selbst angebautes Gemüse. Mit 22 Jahren ist er 1979
Mitbegründer des Verbandes Biokreis Ostbayern. Zwei Jahre und ein abgebrochenes Zahntechnik-Studium später will er den elterlichen Bauernhof im Chiemgau übernehmen und auf „Bio“ umstellen. Er
bekommt ihn zwar nicht, denn die Felder sind verpachtet, acht Geschwister noch zu Hause. Doch seine Mutter rät ihm, bei einem Biobauern in der Nähe anzuheuern. „Das hat gut funktioniert, wir
haben das Bio-Gemüse und frisch gebackenes Holzofenbrot auf den Wochenmärkten verkauft.“
Das Urtümliche, auch Urchristliche fasziniert ihn; die Möglichkeit, mit naturnaher Arbeit sein Auskommen zu sichern und mit Gleichgesinnten in einer Gemeinschaft zu leben.
gründung und bruch mit „gut zum leben“
Als 1984 Anhänger der freireligiösen Bewegung „Universelles Leben“ (UL) einen Bauernhof bei Arnstein kaufen, wird Thalhammer Geschäftsführer und Gesellschafter der Firma „Gut zum Leben“, für die auch viele UL-Anhänger tätig sind. Alle Produkte werden selbst vermarktet, das Wachstum ist rasant. Heute sagt Georg Thalhammer, es sei immer problematisch, wenn sich in einer eigentlich altruistischen Gemeinschaft eine Führungsschicht herausbilde, die über den Willen anderer bestimmen wolle. Um 1995 herum entwickelt er erste Ablösetendenzen, 2001 erfolgt der Bruch. Es folgt ein Ausflug in die ökologische Apfelchips-Produktion, nunmehr als freier Unternehmer und – gemeinsam mit seiner Frau Elisabeth und den vier Kindern – auf eigenes Risiko. Nach einigen Turbulenzen werden mit der neuen Firmengründung 2008 Kürbis und Bärlauch zum Schwerpunkt – seit 2009 geht es stetig aufwärts.
hier kocht der chef – und sammelt teekräuter
Und das offenkundig ohne Chef-Allüren: Mittags bekocht er seine Mitarbeiter selbst und serviert seinen Tee aus Kräutern, die er beim Tautreten gepflückt hat. „Das mache ich jeden Morgen, um Kraft zu schöpfen“, sagt Georg Thalhammer, der Naturverbundene, und lächelt sein Georg-Thalhammer-Lächeln.

Doppelsieg bei der Bio-Fach 2015: Waldfrüchte-Pesto und Aufstrich „Kürbsi“ sind „Best New Products“
Kürbisketchup mal drei: mild, klassisch, scharf (v. l.)


Echte Feinkost: Pestos auf Basis von Bärlauch und anderen Kräutern
MARTFÜHRER FÜR BIOKÜRBISSE
Georg Thalhammer Handel mit frischen Bio-Lebensmitteln e.K. – so lautet die offizielle Bezeichnung des Unternehmens mit seinen zwölf (in Saison-Spitzenzeiten bis zu 25) Mitarbeitern in der unterfränkischen 2200-Seelen-Gemeinde Steinfeld. Es bezeichnet sich als Marktführer für Bio-Kürbisse. Die Hokkaidos werden teils als Frischware vertrieben, teils verarbeitet.
Durch die Verarbeitung wird ein Püree gewonnen, das als Basis für die Herstellung von Kürbissuppen, Kürbisketchup und Kürbisnudeln dient. Das Püree gibt es auch für Endverbraucher – im Glas und in der Dose als Grundlage für Suppen, Soßen, Backwaren, Eis oder als Zutat für den selbst gemachten Babybrei. Ganz neu im Programm: der Kürbis-Gewürz-Sirup „Pumpkin Spice“ und eine fruchtige Kürbis-Birne-Schorle.
Bärlauch- und andere Kräuter-Rohkostpestos gänzen die Palette. Alle Produkte sind vegan und palmölfrei. Infos: www.georg-thalhammer.de; www.biofeinkost-onlineshop.de
interview mit georg thalhammer
Dankbarkeit ist wichtig
Georg, woher beziehst du eigentlich diese vielen Kürbisse und die ganzen Kräuter?
Unsere Hokkaido-Kürbisse stammen alle aus Bio-Vertragsanbau vor allem aus der Region, also Mainfranken; aber auch aus Baden, Südbayern, Hessen und Brandenburg, schon wegen der Risikostreuung. Außerhalb der Kürbissaison hierzulande gibt es aber auch Projekte in Ägypten, Neuseeland und Argentinien. Kürbis ist unglaublich vielseitig, ein richtiges Superfood. Da steckt zehnmal mehr Beta-Carotin drin als in der Karotte. Wir nehmen den Landwirten jährlich etwa 3000 Tonnen ab. Die Kräuter kommen fast alle aus der Region und die ernten wir teilweise auch selbst. Allein an Bärlauch haben wir dieses Jahr zwischen März und Mai 40 Tonnen gepflückt.
Wer kann denn so viel Bärlauch pflücken?
Ach, das sind nicht mehr als zehn Leute. Die besten Pflücker schaffen bis zu 150 Kilo am Tag.
Und wie werden sie bezahlt?
Das sind in der Regel rumänische Saisonarbeiter, denen wir 1 Euro je Kilo bezahlen. Da kommt schon was zusammen, wenn man es mit dem Mindest-Stundenlohn von 8 Euro in der Landwirtschaft vergleicht. Ich versuche aber auch, den Bauern ein gutes Einkommen zu ermöglichen. Das ist eigentlich das Hauptmotiv meines Frischehandels.
Das hört sich sehr selbstlos an.
Ist es aber gar nicht. Ich möchte einfach, dass es meinen Mitarbeitern und Geschäftspartnern gut geht, und das aus eigenem Interesse: Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, und Gemeinschaft funktioniert am besten, wenn sie auf gegenseitiges Verständnis und Respekt fußt. Das gilt auch für den Umgang mit den Tieren und der Natur. In jedem von uns steckt die Sehnsucht, friedlich mit den anderen Menschen, allen Lebewesen und unserer Umwelt zusammenzuleben.
Dankbarkeit ist ein wichtiges Thema für dich …
Ja, das stimmt, sehr wichtig. Wir leben in einer Fülle, die Natur verschenkt sich in einem unvorstellbaren Ausmaß. Und wir haben das Glück, in einem Land mit äußerem Frieden zu leben, auch wenn es viele Herausforderungen gibt, und jeder Einzelne gefragt ist, zum Erhalt dieses Friedens beizutragen. Ich bin auch dankbar für meine wunderbaren Kinder, die jetzt ihre Berufung finden. Und für ihre Mutter Elisabeth, meine erste Ehefrau, die sie mit so einer Liebe begleitet hat und jetzt ins Leben entlässt. Und natürlich bin ich dankbar, dass ich mich selbst habe.
Dass du dich selbst hast?
Ja sicher, so bin ich nie allein und kann immer mit allem um mich herum kommunizieren.
Das leuchtet ein! Noch einmal zu deinen Kindern: Werden sie den Laden mal übernehmen?
Ich hoffe es, aber das wird die Zeit mit sich bringen. Die Älteste, Iris, ist ja schon in der Firma und baut den Vertrieb in der Schweiz auf. Lilia studiert Gesundheitsmanagement und die Zwillinge Gabriel und Samuel haben gerade ihr Abi gemacht; mal schauen, was sie vorhaben, aber Interesse ist da.
Wirst du dein Unternehmen gut loslassen können?
Auf jeden Fall. Ich bin jetzt fast 59; in den nächsten fünf Jahren will ich mich nach und nach herauslösen. Ich bin ja reich beschenkt mit Sylvie, meiner Jugendliebe, die wieder zu mir zurückgekommen ist. Sie ist Landschaftsarchitektin und lebt in Frankreich. Wir wollen dort jeweils das halbe Jahr für Grundstücksbesitzer Naturgärten anlegen und gestalten.
Und das andere halbe Jahr?
Wollen wir in einem Hochgebirgsgarten in den Französischen Alpen ganz auf Selbstversorger umstellen. Das war schon immer mein Traum.