Interview mit Timm Koch

Betrug am Honig?

"Finger weg von Pestiziden im Privatgarten"

Mit seinem Buch "Herr Bien und seine Feinde" führt der Autor und Imker Timm Koch tief hinein in die filigrane und faszinierende Welt der Bienen, die in ihrem Bestand gefährdet ist wie wohl noch nie zuvor. Für uns beantwortete er die folgenden Fragen. Auch vor dem Hintergrund, dass eine konsequent vegane Ernährung den Konsum von Honig ausschließt.


Interview: Dirk Müller

FOTOS: DIRK GÖTTSCHE


Soeben hat die EU ein Verbot für den weiteren Einsatz von drei der gefährlichsten Neonikotinoide im Freiland ausgesprochen. Ist das für die Bienen ein echter Fortschritt?

Zum einen geht dieses Verbot nicht weit genug, weil der Einsatz dieser gefährlichen Stoffe in Gewächshäusern weiterhin erlaubt ist. Dies sind ja keine geschlossenen Systeme und die Gifte können weiterhin, beispielsweise über das Grundwasser, in die Natur gelangen. Drei weitere Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonics bleiben außerdem weiterhin im Handel.


Brauchen wir ein komplettes Umdenken im Umgang mit den Bienen gerade in der Landwirtschaft - und wenn ja, wie kann es gelingen?

Es geht bei der Problematik unserer Landwirtschaft, wie sie heute in weiten Teilen der Welt ausgeübt wird, nicht allein um die Bienen. Unsere Insektenwelt in ihrer Gesamtheit ist in Gefahr. Mit Bayer, Monsanto und Syngenta hat sich ein sehr gefährliches Kartell gebildet, das 60% des der Menschheit zur Verfügung stehenden Saatguts unter seine Kontrolle gebracht hat. Althergebrachte, robuste Obst- und Gemüsesorten werden systematisch ins Abseits gedrängt zugunsten von "Hochleistungssaatgut", das ohne Einsatz diverser Pestizide keinen Ertrag bringen kann. Dieser ganze Wahnsinn kann nur gestoppt werden, indem wir synthetische Pflanzenschutzmittel in ihrer Gesamtheit ächten. Vielleicht gelingt dies ja, wenn der Begriff des Ökozids endlich juristisch definiert wird und ein internationaler Strafgerichtshof sich für eine Bestrafung der Täter starkmacht. Auch die diversen Ökosiegel halte ich für hochproblematisch. Die kosten Geld und sorgen dafür, daß diejenigen bestraft werden, die mit ihrem Konsumverhalten die anständig wirtschaftenden Bauern unterstützen. Ökologisch und nachhaltig produzierte Lebensmittel müssen die Norm sein.

Was kann jeder Einzelne tun, um einen Beitrag zum Erhalt der Bienen zu leisten?

Jeder sollte bestrebt sein, es in seiner Umgebung so viel als möglich blühen zu lassen. Weg also mit Englischem Rasen und spießiger Thujahecke. Her mit Wildobsthecken und Wiesen, die nur zwei, drei Mal im Jahr gemäht werden und wieder Raum für Blumen lassen. Außerdem: Finger weg von allen synthetischen Pestiziden. Wenigstens unsere Privatgärten sollten ein giftfreier Rückzugsraum für die Insekten sein.


Wildbienen gelten als widerstandsfähiger, Zuchtbienen werden ständig um ihren Honig betrogen, was sie letztendlich schwächt. Stimmt das?

Mit den "Zuchtbienen" ist wohl in unserem Fall die Westliche Honigbiene gemeint. Auch dieses Insekt ist aller Zuchtansätze zum Trotz, immer noch ein Wildtier, dessen Dienste sich der Mensch zu Nutze macht. An Wildbienen gibt es in Mitteleuropa etwa 500 verschiedene Arten, zu denen, mit über 30 Arten, unter anderem auch die Hummeln gerechnet werden. Abgesehen von denen leben die meisten Wildbienen solitär. Da sie in ihren Lebensumständen nicht auf ein komplexes Sozialgefüge wie die Honigbiene angewiesen sind, ist es wohl vorstellbar, dass Nervengifte wie die Neonikotinoide, die sich auf die Lern- und Gedächtnisleistungen der Insekten auswirken, bei ihnen weniger verheerend wirken. Allerdings sind Wildbienen zahlenmäßig den Honigbienen weit unterlegen. Ihnen allein die Bestäubung zu überlassen würde nicht klappen. Außerdem stehen sehr viele Arten durch Lebensraumverlust und Pestizide vor größten Problemen.

Was den "Betrug" um den Honig angeht, so möchte ich folgende Denkanstöße erwähnen: Der Job des Imkers bedeutet ein hohes Maß an Spezialwissen, Zeitaufwand, Arbeit und auch finanziellen Investitionen. Genau wie jeder andere Tierwirt verlangt er hierfür einen "Preis". Im Falle der Biene ist dieser vor allem der Honig. Bekommt er den nicht, wird er das Imkern sein lassen und sich andere Wege suchen, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Statt "betrogenen" Bienen, hätten wir dann gar keine mehr. Heute bekommen Bienen als Ersatz für den geraubten Honig Zuckerwasser oder ähnliches. Diese Süßstoffe werden in Europa unter hohem Einsatz von Pestiziden hergestellt. In anderen Teilen der Welt, wie beispielsweise Lateinamerika, kommen da noch menschenverachtende Produktionsweisen hinzu. Dem homogenen Futtermittel Zucker fehlt es also nicht bloß an einer chemischen Vielfalt, wie der Blütennektar sie aufweisen kann. Es ist auch aus anderen Gründen ein zweischneidiges Schwert. Am liebsten würde ich daher meine Bienen auf ihrem eigenen Honig überwintern lassen. Dann hätte ich aber kaum Ertrag. Insgesamt gesehen ist das Einfüttern mit Zucker aber doch ein Fortschritt im Vergleich zu früheren Zeiten. Bei der Zeidlerei und der Korbimkerei wurden die Völker im Herbst regelrecht "geschlachtet", um an den Honig zu kommen. Nur eine gewisse Zahl von Völkern durfte auf ihrem eigenen Honig den Winter überstehen, damit im nächsten Jahr das Spiel von vorne losgehen konnte.




buchvorstellung

Timm Koch, Herr Bien und seine Feinde, Westend-Verlag, 20 Euro
Sterben die Biene, sterben die Menschen! Seit über 100 Millionen Jahren prägt der Bien - also das Bienenvolk mit seinem Stock - das Leben auf unserer Erde, weil er einer riesigen Pflanzengruppe als Bestäuber dient. Ohne Biene keine Äpfel - wenn es nach dem Willen der Agrochemie-Konzerne geht, soll dies jedoch anders werden. Ihnen schwebt eine Zukunft der Roboterbienen vor. Bestäubt wird nur noch, was Kasse bringt. Willkommen in einem der folgenschwersten Auswüchse des menschengemachten Ökozids. Timm Koch führt uns in die wundersame Welt der Bienen und zeigt: Noch funktioniert die Mensch-Bien-Symbiose, noch stemmt sich die Herrschaft des Biens gegen die vollkommen ungezügelte Vergiftung unserer Landschaften durch Bayer, Monsanto und Co. Aber wir sind in einer kritischen Phase angelangt.

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