
10 Fragen an...
Marketingleiter Thomas Ludwig und
Nachhaltigkeitsbeauftragte Nadja Giesmann
Interview: Dirk Müller
FOTOS: PR.
1. Herr Ludwig, Ihr Unternehmen hat 2015 als erster konventionell
fleischverarbeitender Betrieb mit der Produktion und Vermarktung von
vegetarischen und veganen Wurstsorten begonnen. Warum?
Die Ernährungsgewohnheiten der Verbraucher haben sich geändert, darauf wollten wir reagieren. Auch ethische – Stichwort Tierwohl –, nachhaltige und gesundheitliche Überlegungen flossen mit ein. Außerdem hatten wir mit Godo Röben einen Marketingleiter – mittlerweile ist er Geschäftsführer
–, der gern neue Ideen und Entwicklungen vorantreibt. Bei Inhaber Christian Rauffus stieß er damit auf offene Ohren. Rauffus leitete daraus eine sehr klare, einfache Formel ab: „Wer mit Fleisch eine gute Wurst machen kann, der kann das am ehesten auch, wenn man das Fleisch weglässt.“
2. 2020 wollen Sie 40 Prozent des Umsatzes mit vegetarischen und
veganen Produkten erzielen. Ist das realistisch?
Wir arbeiten intensiv daran, auch durch die Entwicklung weiterer Veggie-Produkte. Ob wir das Ziel erreichen, hängt vom Einkaufsverhalten unserer Kunden ab. Und von der Produktqualität – sie muss
geschmacklich absolut überzeugen.
3. Werden 40 Prozent dann das Ende der Fahnenstange sein?
Wenn der Endverbraucher mitzieht, dann sicherlich nicht!
4. Findet die gesamte Produktentwicklung, also diejenige des
Veggie-Sortiments, direkt im Hause statt, oder gibt es externe Versuchslabore?
Wir machen alles selbst, und das muss man sich gar nicht so
laborartig vorstellen. Es gibt eine kleine Küche und einen sternförmigen
Verkostungstisch, an dem Kolleginnen und Kollegen aus allen Teilen unseres
Unternehmens regelmäßig Blindverkostungen vornehmen von Produkten, die eine
eigene, 10-köpfige Abteilung entwickelt. Anregungen kommen von unseren Kunden
sowie auch aus verschiedenen anderen Abteilungen. Hier darf sich jede
Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter einbringen. Hinweise und Vorschläge kommen
auch von der Ernährungsorganisation ProVeg (vormals VEBU), mit der wir seit
Jahren vertrauensvoll zusammenarbeiten.
5. Muss man nicht nur tierisches gegen pflanzliches Protein ersetzen –
und fertig ist die vegane Wurst?
Das wäre schön, aber so einfach ist es leider nicht. Während bei vegetarischen Produkten Eiklar ein adäquater Ersatz sein kann, muss man eine vegane Rezeptur komplett neu denken. Aber auch hier sind wir auf einem guten Weg und planen für Herbst 2018 die Einführung eines weiteren veganen
Produkts als Alternative zu einem unserer absoluten Klassiker.
6. Was ist eigentlich noch so drin in den rein pflanzlichen Produkten?
Stimmt das Vorurteil, vegane Wurst sein ein synthetisch-künstliches Produkt
voller fragwürdiger Zusatzstoffe?
Für unsere Veggie-Produkte gilt das sicherlich nicht. Wir verwenden bei der Herstellung übrigens aller unserer Produkte nur die unbedingt notwendigen Zusatzstoffe und arbeiten ständig daran, die Anzahl und Menge weiter zu reduzieren. Alle unsere Veggie-Produkte sind frei von
Geschmacksverstärkern, wir verwenden stattdessen nur Gewürze und natürliche Aromen, geprüft vom SGS INSTITUT FRESENIUS. Zudem arbeiten wir daran, auch den Salzgehalt unserer Produkte auf ein zur Aufrechterhaltung der Produkteigenschaften absolut notwendiges Minimum zu reduzieren. Auf Wunsch unserer Kunden verwenden wir übrigens schon seit längerer Zeit unjodiertes Salz. Die Hauptbestandteile sind neben Trinkwasser Soja, Weizen, Erbsen oder – bei vegetarischen, aber nicht-veganen Produkten – Eier aus Freilandhaltung sowie statt Speck Rapsöl voller Omega-3-Fettsäuren.
7. Säureregulatoren und Verdickungsmittel sind aber unvermeidlich?
Das sind völlig unbedenkliche Bestandteile, die für Textur und Geschmack eine wichtige Rolle spielen. In Fleisch- und Wurstprodukten kommen diese Stoffe ebenfalls zum Einsatz.
8. Lassen sich Fleisch- und Veggie-Produktion überhaupt verlässlich voneinander abtrennen?
Einen Großteil unserer vegetarischen Produkte produzieren wir in einem eigens eingerichteten, separaten Bereich an unserem Standort in Bad Zwischenahn. Wir haben zudem ein Gebäude gegenüber von unserem Stammwerk neu eingerichtet - exklusiv für die Verpackung unserer Veggie-Produkte. Für die Herstellung einiger weniger Veggie-Produkte nutzen wir derzeit noch teilweise
dieselben Räume und Maschinen wie für unsere Fleischprodukte und arbeiten zusätzlich mit Partnerbetrieben. Dem Risiko einer Vermischung beugen wir durch Maßnahmen vor, die aus unserem Allergenmanagement kommen. Dazu gehört zum Beispiel die zeitliche Trennung bei der Herstellung von fleischfreien und fleischhaltigen Produkten inklusive einer speziellen, intensiven
Zwischenreinigung. D.h. wir fangen am Montagmorgen immer mit der Produktion des veganen Sortiments an. Erst wenn diese Wochenproduktion abgeschlossen ist, sind die vegetarischen und dann die fleischhaltigen Produkte an der Reihe. Zusätzlich wird das Fleisch getrennt von den anderen Rohwaren gelagert und es werden unterschiedliche Gerätschaften wie Eimer, Rollwagen und Gefäße verwendet. Dass die getroffenen Maßnahmen wirksam greifen, kontrollieren wir
regelmäßig durch interne Analysen. Außerdem haben wir den bestehenden Analyseplan des SGS INSTITUT FRESENIUS um entsprechende Untersuchungen erweitert. Zusätzlich sind alle unsere vegetarischen Produkte mit dem V-Label „vegetarisch” bzw. „vegan” zertifiziert.
9. Seit kurzer Zeit sind auch fleischhaltige Bio-Produkte von Rügenwalder auf dem Markt. Wann wird es die erste vegane Bio-Wurst von Rügenwalder geben?
Leider lässt sich das noch nicht genau beantworten. Es gibt bereits Überlegungen und Ideen, aber hier zeigen sich noch einige Hürden hinsichtlich der Verfügbarkeit und Qualität. Wir müssen Schritt für Schritt gehen, verlieren das Thema aber keineswegs aus den Augen, sondern sondieren, wo
es die von uns benötigten Bio-Zutaten in der von uns benötigten Qualität und Menge zu kaufen gibt.
10. Eine Frage an die Nachhaltigkeitsbeauftragte: Wo sehen Sie Defizite
im Unternehmen, Frau Giesmann?
Wir versuchen ständig, in allen Bereichen noch nachhaltiger und umweltfreundlicher zu produzieren und zu handeln, von der Müllvermeidung bis zur Plastikreduzierung. Dafür wurde ein Arbeitskreis Nachhaltigkeit geründet, dem 16 Kolleginnen und Kollegen angehören, die acht Handlungsfelder
bearbeiten. Bereits seit dem 1. August 2016 produzieren wir mit 100% Ökostrom, d.h. der erzeugte Strom stammt zu 100% aus erneuerbaren Energien, nämlich Wasser-, Wind- und Sonnenenergie. Damit sparen wir jährlich rund 5000 Tonnen CO2 ein, was in etwa so viel ist, wie 500 Menschen pro Jahr erzeugen.
ZUm unternehmen:
Die Firma Rügenwalder Mühle ist der Veggie-Vorreiter unter
den Wurstherstellern – und hat noch deutlich höhere pflanzliche Ziele.