
Sarah Heiligtag studierte in Zürich Philosophie und Ethik und betreibt mit ihrem Mann Georg Klingler den Lebenshof „Hof Narr“ in Hinteregg in der Schweiz
von Beate Förster
FOTO: © ♥ SUPERPENG
Kannst du dich noch an deine erste Tierrettung erinnern?
Na klar! Als ich an der Uni war, sagte jemand neben mir: „Das Pferd meiner Schwester wird morgen geschlachtet. Das tut jetzt nicht mehr so wie es sollte.“ Ich war zutiefst schockiert und habe dann gesagt: „Das rette ich!“. Ich habe dann eine Weide gefunden und es finanzieren können, indem ich Nachtschichten gemacht habe.
Wie kamst du dazu, einen Lebenshof zu gründen?
Im Philosophiestudium habe ich mich auf die Ethik konzentriert. Und ich bin da ins Thema Menschenrechte und Tierrechte reingekommen. Das eine führt ja ins andere. Wieso haben Menschen Rechte? Das hat vor allem damit zu tun, dass sie empfindungsfähige Lebewesen sind. Also werden ihnen die Grundrechte der seelischen und der körperlichen Unversehrtheit zugestanden. In der Philosophie die mit dem Werkzeug der Logik argumentiert, folgt daraus, dass das auch für Tiere gelten müsste, eben weil auch sie empfindungsfähige Lebewesen sind. Aber draußen in der Welt passiert wahnsinnig wenig – gefühlt. Ich war so entsetzt über alles in der Nutztierindustrie. Ich habe gedacht, ich muss darüber sprechen. Ich habe dann auch angefangen Ethik zu unterrichten. Aber wenn man nicht das Herz berührt, fühlen sich die Menschen zu wenig getroffen. Man muss ihnen die Möglichkeit geben, sich angesprochen zu fühlen. Und das passiert am besten durch eine Begegnung mit dem Tier oder durch eine Möglichkeit zu sehen, wie es auch anders gehen könnte. Und so ist meinerseits die Idee entstanden, einen Hof zu pachten, weil ein Hof Tieren ein Zuhause bieten und zugleich zeigen kann, wie Landwirtschaft anders funktionieren könnte.
Wie ist der Hof Narr aufgeteilt?
Wir haben vier Aufgaben: Erst mal Tiere aus der Nutztierhaltung zu retten und ihnen ein Leben entsprechend ihrer Bedürfnisse zu ermöglichen – einfach nur um ihrer selbst willen. Daraus ist dann der Bereich des Ethik-Unterrichts entstanden. Also machen wir mit den Tieren zusammen die Bildungsarbeit. Zum Bildungsbereich und der Öffentlichkeitsarbeit zählen Vorträge, Schulklassenbesuche, Social-Media-Arbeit und die Homepage. Wir haben hier viele Gruppen zu Gast. Wir wollen inspirieren. Wir leben vor. Dann haben wir einen bioveganen Landwirtschaftsbetrieb, um zu zeigen, wie es anders sein kann, und dass es funktioniert. Über Anfragen von Landwirten entstand schließlich der Bereich der landwirtschaftlichen Beratung zur Umstellung vom Nutztier- auf einen Lebenshof und bioveganen Betrieb.
Kannst du von einer typischen Tier- Geschichte erzählen?
Oft sind die Tiere, die hierher kommen, traumatisiert. Gerade, wenn sie lange Zeit in der Nutzung waren wie etwa Madame Michèle, die vier Jahre lang nichts in ihrem Leben machen konnte, außer als eine Muttersau zu gebären, und dann wurden ihr die Kinder wieder weggenommen. Als sie hierher kam, hatte sie kaum Muskeln. Sie hat dann aber ziemlich schnell gemerkt, dass es hier gut ist. Und dann hat sie sich schon sehr bald enorm gefreut, wenn wir sie besucht haben. Sie hat die typischen Schweinegeräusche gemacht, die heißen: Wie schön, dass du da bist! Und sie hat jeden Tag geübt zu laufen und Muskeln aufzubauen. Sie hat ihren Lebenswillen entdeckt – und heute ist sie die liebevolle Adoptivmutter der später geretteten Ferkel Tim und Léonie.
Wenn Schülerinnen und Schüler zu Gast sind: Wie reagieren sie auf die Schweine?
Die ersten Reaktionen sind: „Wow, sind die groß!“. Die zweite Reaktion ist dann: „Sind die süß und so lieb. Darf ich die mit nach Hause nehmen? Und ich hätte auch gern eins. Das ist jetzt mein bester Freund“. Die letzte Reaktion ist dann: „Ich werde nie mehr Schwein essen!“