Auf einen Tee...

Fragen an Björn Moschinski

In dieser Reihe sind wir im Gespräch mit Persönlichkeiten aus der veganen Welt. Es geht dabei – entspannt zurückgelehnt bei einer Tasse Tee – um eine eher philosophische Sicht auf die Dinge 

 


Interview: Dirk Müller

FOTO: NADJA KLIER


Björn, welchen Tee trinkst du am liebsten?

Morgens zum Wachwerden bereite ich mir einen Matcha zu. Das wird richtig zelebriert, mit Schälchen, Aufschäumer und Bambusbesen. Wenn ich abends Zeit habe und zu Hause bin, dann gönne ich mir gern einen frischen Chai mit Soja- oder Hafermilch; die Zutaten aus verschiedenen Gewürzen stelle ich mir selbst zusammen. Dann duftet die ganze Wohnung nach Chai …


Bist du dabei lieber allein, mit Partnerin oder in Gesellschaft?

Gern auch mal allein, mittlerweile, eine Partnerin habe ich zurzeit nicht.

Das klingt ja fast schon dramatisch …

Ist es aber nicht. Ich war 20  Jahre lang quasi immer in festen Beziehungen. Nach der letzten Trennung im Sommer 2017 habe ich mit einem Freund eine Woche in Finisterra verbracht, einem Ort an der galizischen Küste, gut 80 Kilometer entfernt von Santiago de Compostela, dem Zielort des Jakobswegs. Finisterra heißt „Das Ende der Welt", es liegt an einem Kap, dahinter ist nur noch das offene Meer. Man trifft dort viele Jakobsweg-Pilger und kommt ins Gespräch.


Intensive Gespräche?

Auf jeden Fall, die ganze Atmosphäre war intensiv. Ich habe mich erstmals gefragt, warum es mir schwerfällt, einfach mal mit mir allein zu sein. Warum drehe ich mich im Kreis, wovon mache ich mich abhängig? Wie eng ist der Zusammenhang zwischen Erwartung und Enttäuschung? Wie wichtig sind Anerkennung und Bestätigung? Welchem Druck setzt man sich aus, welchen Druck übt man selbst aus? Was bedeutet Konsum und was macht er mit uns? Wie gelingt es, tolerant zu sein und die Meinung anderer gelten zu lassen? Viele solcher Fragen haben sich dort gestellt.


Wie war es nach der Rückkehr nach Deutschland?

Ernüchternd. Mannheim kam mir vor wie ein einziger Konsumtempel. Und überall Menschen mit misstrauischer Miene, in der sich Stress und Angst widerspiegeln. Alles kam mir vor wie eine einzige Abwärtsspirale. Und ich dachte mir: Hey, du bist hier in der falschen Welt.


Und wie denkst du heute darüber?

Na ja, der Stein kam damit ja erst ins Rollen. Nach dem Konsumflash hat sich die ­Frage aufgedrängt, ob mich dieses Leben glücklich macht. Auf einmal wurde mir klar, dass Konsum immer nur ein ganz kurzzeitiges Glück ist, das teuer bezahlt wird. Ich habe dann drei Monate lang konsequent nur gekauft, was ich wirklich zum Leben brauche, also in erster Linie Nahrungsmittel. Und mich entschieden, drei Wochen nach Nepal zu gehen. Allein und ohne festen, vororganisierten Plan.


Und von dort bis du erst vor einiger Zeit zurückgekehrt … Wie war’s denn?

Ich bin viel gewandert, v. a. auf dem Annapurna-Circuit, einer Trekkingroute um die Annapurna-Gebirgskette im Himalaya, auf einem Profil zwischen 800 und 5400 Höhenmetern. Wenn man von diesen Bergriesen umgeben ist, wird man ganz klein und merkt, was der Mensch eigentlich ist: ein Winzling. Man wird demütig und erkennt eher, was wichtig ist.


Was ist denn in deinen Augen wirklich wichtig?

Lass es mich so sagen: Hier werden wir zugeballert mit Bildern und sind unzähligen Einflüssen ausgesetzt. Die Medien, die Werbung, die Industrie steuern uns in einem erheblichen Ausmaß, und oft merken wir es gar nicht. Ständig wird uns subtil suggeriert, was wir kaufen sollen, aber auch, was wir denken und fühlen sollen. Dort in Nepal bist du plötzlich ganz auf dich selbst zurückgeworfen, ohne diese Einflüsse. Nur du und die Landschaft. So viele neue äußere, aber auch innere Bilder, ich bin aus dem Staunen gar nicht mehr herausgekommen.

Hattest du überhaupt keinen Kontakt zu Menschen in diesen drei Wochen?

Doch, klar. Wenn es sich ergibt, und man trifft einzelne Wanderer, die ungefähr im selben Tempo unterwegs sind, läuft man einzelne Etappen auch mal zu zweit oder zu dritt. Meist wird nicht viel gesprochen, aber man wird vom selben Spirit getragen. Auch mit den Einheimischen kommt man in Kontakt, denn die Landschaft entlang der Wege ist fast durchgängig besiedelt und es gibt viele einfache Herbergen. Die Leute haben fast nichts, aber immer ein Lächeln. Ich bin keinem einzigen aggressiven Menschen begegnet. Auch der Umgang mit den Tieren ist liebevoll. Für mich als Tierrechtler hat sich bestätigt: Keine aggressiven Menschen, keine aggressiven Hunde (und andere Tiere)! Tiere genießen dort eine ganz andere Wertschätzung, auch dann, wenn es Schlachttiere sind.

Was ist die Essenz deiner Erfahrungen aus Nepal und Spanien?

Frei nach Gandhi: Wenn du Veränderung willst, dann sei du selbst die Veränderung.

Was folgert daraus für dein weiteres Leben?

Ich möchte noch viel mehr reisen. Nahziel  sind etwa 800  Kilometer Jakobsweg, gemeinsam mit meiner Hündin Fanny. Und das heißt: keine Herberge, keine Busse, denn dort sind Hunde in Spanien nicht gestattet. Ich kann mir auch vorstellen, mal nach Usbekistan oder Kirgistan zu reisen. Oder für ein Schweige-Retreat in ein Kloster zu gehen. Oder in Afrika bei Projekten für Elefanten oder Orang-Utans mitzuhelfen. Also auch zu versuchen, etwas zurückzugeben.

Wird das der Einstieg in den totalen Ausstieg?

Das glaube ich nicht, ich habe hier ja Aufgaben, die ich auch gerne wahrnehme. Mit meinen Vegan-Schulungen in großen Betrieben erreiche ich viele Köche, und das sind die Multiplikatoren, um die vegane Idee in ihrer Vielfalt weiter voranzutreiben. Für 2019 habe ich wieder ein Rezeptbuch geplant, und auch auf Veggie-Messen und anderen Events will ich weiterhin einen Beitrag dazu leisten, vielen Menschen den veganen Weg so schmackhaft wie möglich zu machen.



ZUR PERSON:

 BJÖRN MOSCHINSKI, Jahrgang 1979, ist Vegan-Koch und -Schulungsleiter (u.a. bei Daimler-Benz, Bayer, Roche Pharma, Studierendenwerke), erfolgreicher Buchautor und TV-Experte und somit einer der bekanntesten Vegan-Pomis Deutschlands. Er lebt in Mannheim und Berlin.