Interview ... auf einen Tee ... mit Verena Liesegang: „... es gibt keinen Grund sich als Veganerin zu verstecken"

In dieser Serie befragt Chefredakteur Dirk Müller Persönlichkeiten aus der veganen Welt. Nicht die Tagesaktualität steht im Vordergrund – sondern inspirierende Lebensläufe


von Dirk Müller

FOTO: BEATE FÖRSTER

 


Liebe Verena, wie immer lautet unsere Einstiegsfrage: Welchen Tee trinkst du am liebsten?

Ganz klar Ingwertee. Wobei das bei mir eigentlich kein Tee ist, es ist heißes Ingwerwasser, mit einem Schuss Zitrone. Aber davon dann gern bis zu vier Liter am Tag.

 


Wirklich vier Liter?

Ja, wirklich! Viel Flüssigkeit ist enorm wichtig, nicht nur für sportlich aktive Menschen; am besten Wasser oder Tee ohne Koffein.

 

Stichwort sportlich aktiv: Bei dir sieht man‘s jedenfalls! Als veganer Fitness- und Ernährungscoach bist du der lebende Beweis, welche Power in Pflanzenkost steckt.

Danke! Mein Äußeres schafft natürlich eine gewisse Glaubwürdigkeit. Aber wichtiger sind die Inhalte meiner Angebote als Coach.

 


Was erwartet mich, wenn ich mich bei dir anmelde?

Ich biete sowohl online als auch live Trainings- und Ernährungsworkshops. In meinem Blog gibt‘s auch viele Gratis-Tipps und -Rezepte. Das Ziel ist im Grunde immer, vegan dauerhaft Fett abzubauen und Muskeln aufzubauen. Und das ohne die falschen Versprechungen der Diät-Industrie.

 



Auf die du offenbar nicht gut zu sprechen bist …

Jedenfalls habe ich lange Zeit schlechte Erfahrungen damit gemacht. Ich habe zwar schon immer viel Sport getrieben und bin bereits mit 16 Jahren Groupfitness-Instructor im Fitnesssport geworden, war aber immer so eher das Pummelchen. Und habe eine neue Diät nach der anderen ausprobiert. Für die Misserfolge habe ich mir selbst die Schuld gegeben und mit der Zeit eine schlimme Bulimie entwickelt. Ein Teufelskreis über viele Jahre.

 


Was hat dich gerettet?

So um 2011/12 wurde mir klar, dass das alles nur Raubbau am eigenen Körper ist und so niemals funktionieren wird. Ich habe mir dann einige derjenigen genauer angeschaut, die es geschafft haben, und daraus ein eigenes Konzept entwickelt. Wichtigste Grundregel: Nie mehr Kalorien zählen! Ein positives Verhältnis zum Essen entwickeln! Den Blutzuckerspiegel konstant halten, um Heißhungerattacken zu vermeiden! Und: Sinnvolles Krafttraining heißt, strukturiert nach Plan zu trainieren: Drei Stunden sind zu viel, lieber eine Stunde intensiv – und Pausentage einhalten.

 


Daraus hast du deinen eigenen sowie als Coach sehr viele weitere Trainingspläne entwickelt.

Ja, immer abgestimmt auf die jeweilige Person. Ganz wichtig ist dabei auch ein positives Selbstbild: Wer für sich selbst Verantwortung übernimmt, dem kann auch eine dauerhafte Transformation gelingen. Krafttraining ist dabei eigentlich der optimale Weg, denn es formt nicht nur den Körper, sondern automatisch auch das Selbstbewusstsein.

 

Was hat dich denn auf den veganen Weg geführt?

Vegetarierin wurde ich schon mit neun Jahren, nachdem ich eine furchtbare Reportage über Tiertransporte gesehen hatte. Meine Mama war von meiner Entscheidung so gerührt, dass sie von dem Moment an auch kein Fleisch mehr angerührt hat.

 

Vegetarierin mit neun, da war der Weg zur Veganerin ja vorgezeichnet.

Ja, aber leider erst 25 Jahre später. Meine Proteinquellen waren vor allem Quark und Eier, was ich völlig ok fand. Ich dachte, als Vegetarierin stehe ich auf der richtigen Seite. Ende 2014 dann wurde mein Freund auf ein YouTube-Video aufmerksam und meinte, das müsse ich mir unbedingt mal ansehen: Es war ein Vortrag von Gary Yourofsky. Und plötzlich wurde uns beiden klar, dass wir auch als Vegetarier nichts daran geändert hatten, dass Tiere für uns sterben – denn Milchprodukte sind genauso grausam und tödlich wie Steaks. Erst durch diese Erkenntnis begann ich auch über gesundheitliche Auswirkungen von tierischem Eiweiß, die Folgen für die Umwelt usw. nachzudenken.

 

Und so wurdest du zum veganen Fitnesscoach…

Meinen Bank-Job hatte ich schon 2012 aufgegeben, „V-Reena Sport“ und meinen Blog www.v-reena.com gründete ich 2013. Als ich dann vegan wurde, habe ich das zwar kommuniziert, aber nicht in den Vordergrund gestellt. Erst seit Anfang 2019 sage ich klar und deutlich: Ich bin veganer Fitness- und Ernährungscoach, ohne Kompromisse, Punkt. Freundlich, aber klar positioniert.

 

Was ist seitdem anders?

Einiges! Ich werde im veganen Umfeld viel stärker wahrgenommen, von der VeggieWorld als Rednerin eingeladen, spreche in veganen Podcasts … Und obwohl ich schon viele Jahre auf der FIBO in Köln präsent bin, der weltweit größten Messe für Fitness, Wellness und Gesundheit, bin ich erst 2019 ganz selbstbewusst mit der Botschaft „Vegan Power“ aufgetreten, mit Schriftzug auf meinem sehr auffälligen Outfit. Die Resonanz war positiv! Es gibt also keinen Grund, sich als Veganerin zu verstecken. Im Gegenteil!

 

Du bist fast omnipräsent: Website, Blog, Instagram, Facebook, du machst YouTube-Videos mit dem netten Motto „Vegan und lebt noch“, hältst Vorträge, gibst deine Web- und Live-Seminare. Bleibt da noch Zeit zum Abschalten?

Als Selbstständige ist Arbeits- und Freizeit oft schwer zu trennen, aber dafür höre ich auf mein Herz und mache das, wozu ich mich berufen fühle. Wirklich abzuschalten gelingt mir in der Stille der Natur, beim Spazierengehen, ohne Kopfhörer. Dafür verzichte ich heute auf Shoppingtouren oder Fernsehen – was mir früher wichtig erschien. Da mein Verlobter aka „Danny Yassaro“ mich als professioneller Fotograf- und Filmemacher in allen Projekten begleitet, ist bei uns Privat- und Arbeitsleben sehr eng miteinander verbunden. Gerade deshalb macht uns die Arbeit so viel Spaß! Er wird auch die Bilder für mein Buch machen, das im Oktober im „Grüner Sinn Verlag“ erscheinen wird.

 

Kann man sagen, du hast für dich den Sinn des Lebens gefunden?

Ich denke schon. Wer die Welt und ihre Geschöpfe gut behandeln will, muss sich selbst gut behandeln. Durch meine bisherigen Erfahrungen habe ich gelernt: Glaube an das Gute, denn der Mensch an sich ist nicht schlecht. Er muss nur die Chance haben, sich zu erkennen und zu entwickeln.

 



ZUR PERSON:

 

Verena Liesegang alias V-Reena ist Jahrgang 1980 und veganer Fitness-, Ernährungs- und Persönlichkeitscoach. Sie lebt mit ihrem Lebensgefährten in Rödermark bei Frankfurt am Main. Mehr Infos:
www.v-reena.com
www.sei-ein-rebell.com
YouTube:
„Vegan und lebt noch“