Auf einen Tee ...

Fragen an Ruediger Dahlke

In dieser Reihe sind wir im Gespräch mit Persönlichkeiten aus der veganen Welt. Es geht dabei – entspannt zurückgelehnt bei einer Tasse Tee – um eine eher philosophische Sicht auf die Dinge 

 


Interview: Dirk Müller

FOTO: CHRISTINA BAUMECKER


Lieber Ruediger, welchen Tee magst du am liebsten?

Ach, ich mag viele Tees. Zum Beispiel Brennnessel, Roibusch oder verschiedene Minzsorten. Ich faste ja zweimal im Jahr im Frühjahr und Herbst jeweils fünfzehn Tage, da trinke ich dann besonders gern Fenchel- und Ingwertee, weil die in diesen kühlen Jahreszeiten wärmen.


Du bist schon vor Jahrzehnten durch Bücher wie „Krankheit als Weg“ bekannt geworden; darin postulierst du, dass jede Krankheit eine bestimmte Bedeutung habe, sinnbildlich für den Seelenzustand stehe und eine Chance biete, bestimmte innere Konflikte zu überwinden. Vom Sinn und Zweck rein pflanzlicher Ernährung war da aber noch nicht die Rede …

Ja, das stimmt, wobei ich schon immer eine vegetarische Ernährung empfohlen habe und selbst seit fast 50  Jahren vegetarisch und seit etwa acht Jahren vegan lebe. Schon als ganz kleines Kind hat mich der Film „Bambi“ tief berührt, und den Bückling, den es in der Nachkriegszeit in Berlin zweimal die Woche wegen des hohen Eiweißgehalts gab, fand ich immer ekelhaft. Wir sind dann nach Bayern gezogen und ich wurde als Jugendlicher ein ganz guter Skirennläufer. „Muskelfleisch macht Muskeln“ hat unser Skitrainer immer propagiert, damit wurde ich sozialisiert, und es gab sogar Anreize für hohen Fleischkonsum. Aber nach der Skikarriere war’s vorbei mit dem Fleischessen, da war ich noch keine 20 Jahre alt. Ich mochte auch keinen Käse und keine Eier.

Dann warst du ja sehr frühzeitig schon Veganer?

Mehr oder weniger, ich hab halt beim Kuchen oder dem Gemüsegericht nie so genau drauf geachtet, ob da nicht doch Ei- oder Milchanteile drin sind. Das änderte sich erst, als ich 2007 das Buch „The China Study“ von Colin Campbell gelesen habe, der einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr tierischer inklusive Milchprodukte und dem Auftreten bestimmter Krankheiten herstellt; auch das Buch „Anständig essen“ von Karin Duve fand ich sehr hilfreich. „Anständig“ zu essen hieß früher eben, ordentlich Fleisch zu essen. Heute beweist man Anstand und erweist Achtung, indem man auf Fleisch verzichtet. Das ist ein enormer Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft. Auch aus diesen Impulsen entstand mein Buch „Peace Food“, das 2011 die vegane Entwicklung hierzulande sicherlich vorangebracht hat; neben anderen Protagonisten und Büchern.


In dem besagten Buch schreibst du: „Angst und Qual der Tiere spiegelt sich bei Menschen in vermehrten Panikattacken.“ Wie ist das zu verstehen?

Schlachttiere wissen in der Regel genau, was auf sie zukommt, und kurz vor ihrem Tod sind sie voller Angst und Panik. Diese Gefühlszustände bleiben in deren Neurotransmittern und Hormonen erhalten, und all das nehmen Fleischesser in sich auf. Die Folge sind oft seelische Störungen wie unbestimmte Ängste, Depression, Lethargie und Apathie. Mit diesen Symptomen kommt jeder dritte Deutsche mindestens einmal in seinem Leben mit der Psychiatrie in Berührung.


Nicht der einzige Grund, auf Fleisch zu verzichten.

Natürlich nicht. Es gibt viele ethische, gesundheitliche sowie nachhaltig-ökologische Gründe, die einem aufgeklärtem Publikum wie den Lesern deines Magazins aber sicherlich bekannt sind.


Du bist seit Jahrzehnten aktiv als Referent, Seminarleiter und Autor. Hast du nicht manchmal das Bedürfnis, einfach abzuschalten und dein Leben radikal zu vereinfachen?

Na ja, das Abschalten funktioniert eigentlich ganz gut. Frühmorgens setze ich mich gern mitten in die Natur, schaue in die Landschaft, atme die frische Luft, sortiere meine Gedanken und schreibe auf meinem Laptop. Ich bezeichne das als Schreibmeditation. Auch Wandern und Bergwandern verstehe ich als Ausgleich, ebenso maßvolles Yoga und Sitzmeditation. Was das radikale Vereinfachen angeht: Das ist leichter gesagt als getan. Zum einen gibt es eine Reihe von Mitarbeitern um mich herum, für die ich mich verantwortlich fühle; auch in unserem Seminarzentrum TamanGa in der Steiermark. Zum anderen ist meine Arbeit heute effektiver denn je. Früher habe ich für 300  Menschen Fastenbegleitung gemacht, heute sind es über Webinare Tausende – die Technik macht’s möglich. Und ich habe die Zulassung, Ärzte für die Erlangung der Zusatzbezeichnung „Naturheilverfahren“ weiterzubilden. Viele Mediziner haben so schon zur veganen Ernährung gefunden.


Was ja nicht Bestandteil des Medizinstudiums ist.

Vieles Wichtige findet dort nicht statt, das war schon in meiner Studienzeit so, und so ist es geblieben. Noch schlimmer schaut’s bei den Ernährungswissenschaftlern aus. Das ganze Ökotrophologie-Studium besteht aus überholten Ernährungsleitbildern, an denen leider auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung festhält.


Was bedeutet dir Ruhm?

Gar nichts, würde ich gern antworten, aber es fällt schon auf, dass ich immer ans Mikrofon wollte. Schon in der Schule war ich gern der Klassensprecher. Von einem gesunden Ego muss ich bei mir schon ausgehen. 

Was fehlt dir im Leben?

Es ist schon alles gut so, wie es gelaufen ist. Beginnend mit der Zeit der 68er, in die ich hineingeboren wurde, und eigentlich bis heute, mit allen persönlichen, auch familiären Höhen und Tiefen.

Gibt es nichts, von dem du heute sagst, das hast du leider versäumt?

Doch. Kitesurfen hätte ich gern gelernt, aber jetzt fange ich damit nicht mehr an. Und ich will halt erleuchtet werden, seit ich elf Jahre alt war. Mein Großvater hat mir damals das Buch „Yogismus“ gegeben, weil ich vor Wut mein Fahrrad zertrümmert hatte. Ich habe das Buch verschlungen und wirklich mit Yoga begonnen. Vielleicht klappt’s ja noch mit der Erleuchtung in diesem Leben – oder dann im nächsten …  



ZUR PERSON:

 RUEDIGER DAHLKE (67): Der Humanmediziner, Psychotherapeut, Referent und Buchautor wurde u. a. durch die Bestseller „Krankheit als Weg“ und „Krankheit als Symbol“ bekannt. Im Jahr 2011 erschien sein Erfolgsbuch „Peace Food“. Seitdem rät er zu veganer Ernährung, um Körper und Seele zu heilen.